MAZ 26.05.2004 In Buckau beschattet – Scientology stellt Sekten-Aussteiger nach

MAZ 26.05.2004
In Buckau beschattet
Scientology stellt Sekten-Aussteiger nach / Amtsgericht fällt Urteil
ULRICH WANGEMANN

BUCKAU Einer der bekanntesten Aussteiger aus der Scientology-Kirche, der Amerikaner Gerald Armstrong, hat sich acht Monate lang in Buckau versteckt. Untergetaucht war er bei dem Sektenbeauftragten der evangelischen Kirche Thomas Gandow, der seit vier Jahren in dem Ort lebt. „Er hat bei uns unter dem Dach gewohnt“, sagt Gandow.

Bekannt geworden ist die Anwesenheit des zu einem der schärfsten Kritiker der umstrittenen Organisation gewandelten Armstrong nun durch einen Prozess vor dem Amtsgericht Brandenburg. Dort musste sich gestern der von der IHK Berlin öffentlich bestellte Immobilien-Sachverständige und bekennende Scientologe Mirko Otto wegen des Vorwurfs der Nötigung im Straßenverkehr verantworten. Der 34-Jährige hatte am 19. Januar 2003 auf der Autobahn mehrfach Fotos vom Wagen der Gandows gemacht.

Otto hatte an jenem Sonntagmorgen vor dem Haus der Gandows gewartet, seine Kamera mehrfach auf die Fenster gerichtet. Als die Gandows in Begleitung Armstrongs in ihrem Auto davonfuhren, heftete sich der Scientology-Mann an ihre Fersen. Auf der Autobahn in Richtung Berlin fuhr er auf der mittleren Fahrspur an das Auto heran und knipste die Insassen. Thomas Gandows Ehefrau Ute, die das Auto steuerte, sagte, Ottos Opel sei bei Tempo 100 bis auf eine Armlänge an ihr Auto herangekommen. „Ich hatte Angst, er schaute ja gar nicht auf die Straße, sondern durch den Sucher“, sagte Ute Gandow.

Dann habe sich der Beschatter vor ihren Wagen gesetzt und abgebremst, so dass sie bis auf eine Geschwindigkeit von 50 Stundenkilomtern abbremsen musste. Otto sei anschließend davongefahren, habe aber am nächsten Rastplatz gewartet, um das vorbeifahrende Auto des Pfarrers von der anderen Seite zu fotografieren. Das habe er mindestens einmal wiederholt, bis ihn auf Höhe des Dreiecks Werder eine von Thomas Gandow herbeigerufene Streife der Autobahnpolizei abfing.

Vor Gericht gab Mirko Otto die Beschattung zu. Er habe den „Auftrag der Kirche“ gehabt, Fotos von Armstrong und dem Sektenbeauftragten zu machen. Er bestritt aber, dass aus einem weiteren Fahrzeug Fotos gemacht worden seien. Das hatte Ute Gandow ausgesagt.

Hintergrund ist offenbar ein Prozess, den die Kirche bis vor kurzem in den USA gegen Armstrong führte. Darin hatte die Organisation den ehemaligen Archivar und Biografen des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard auf Schadenersatzansprüche in Höhe von 10Millionen Dollar verklagt, weil er angeblich eine Schweigevereinbarung gebrochen hatte, die er mit der Organisation getroffen hatte. Im April verurteilte ein Zivilgericht Armstrong zu einer Geldstrafe von einer halben Million Dollar. Scientology argumentiert, sie habe mit Hilfe der Fotos Armstrongs Aufenthaltsort in Deutschland ausfindig machen wollen, um ihn gerichtlich belangen zu können. Tatsächlich hatten Mitglieder der Sekte wiederholt versucht, den Aussteiger anzutreffen. So hatte etwa ein falscher Postbote bei Gandows geklingelt, um ein angebliches Weihnachtsgeschenk für Armstrong abzugeben.

Das Amtsgericht beschränkte sich gestern allerdings auf den Eingriff in die Verkehrsordnung. Dirk Otto muss 1000Euro an Unicef zahlen. Dafür wurde das Verfahren eingestellt.

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